Keine Direkte Leistungsvorlage mehr in der Volksschule?

Letztens war ich beim Elternabend von Lolas kleinem Bruder. Er geht dieses Jahr in die 2. Klasse Volksschule und hat eine engagierte Lehrerin, die sehr um jedes einzelne Kind in ihrer Klasse bemüht ist.

Im Elternforum wurde, wie auch schon im ersten Schuljahr, beschlossen, statt eines Zeugnisses eine Direkte Leistungsvorlage zu organisieren, wie wir sie schon von Lolas kleiner Schwester, die die gleiche Schule besucht, kannten.

Das heißt, dass die Kinder in der ersten und zweiten Klasse keine Noten bekommen, sondern zu einem festgesetzten Termin in Kleingruppen an Stationen den Eltern zeigen, was sie im Unterricht gelernt haben (zumindest wurde die DLV an unserer Volksschule so organisiert). Dabei findet auch ein Informationsgespräch mit der Lehrerin statt, wobei das Kind anwesend ist und sich einbringen kann. Unsere Lehrerin hat den Kindern vorher zusätzlich noch einen Bogen mit verschiedenen Schwerpunkten in leicht verständlichem Deutsch gegeben, worauf sie sich selber mit Smileys beurteilen konnten. Daneben zeichnete dann die Lehrerin auch Smileys, wie sie die Sache sieht. Kategorien waren zum Beispiel „Schreiben“, „Rechnen“, „sich mit den anderen vertragen“ etc. Außerdem gab es eine Mappe mit einem Auszug der Arbeiten des Kindes. Mit diesen Materialien hatten wir eine gute Gesprächsbasis und diese Gespräche waren immer sehr positiv und unser Kleiner hat bei der ganzen DLV gerne mitgemacht und uns voller Stolz gezeigt, was er schon alles kann. Auch wir konnten einen sehr guten Eindruck gewinnen und uns gut austauschen.

Für unsere Kinder hatte es den meiner Meinung nach dazu den großen Vorteil, dass es nicht schon in der ersten und zweiten Klasse mit dem Leistungs- und Notendruck losging und dass das „Notenvergleichen“ – wer ist „besser“ – damit noch ein bisschen Zeit hatte. Die Stärken wurden herausgestrichen und unterstützt, auf die Schwächen wurde behutsam und konstruktiv hingewiesen.

Auf dem Zeugnis stand dann einfach „Direkte Leistungsvorlage“.

Nun wurde gestern Abend angekündigt, dass dieser Schulversuch ausläuft und im Rahmen der „Bildungsreform“ nicht mehr weitergeführt wird.

Die Eltern waren durchwegs nicht begeistert von dieser Entscheidung. Es kamen Kommentare wie: „Wir haben uns im Elternforum aber dafür entschieden!“ und „Wer sind diese „Bildungsexperten“ die solche Dinge entscheiden? Sie sollten mal die Eltern und die Lehrer um ihre Meinung fragen!“. Die Lehrerin konnte dazu nur sagen, dass nun diese Entscheidung nicht mehr gültig sei, da es in Zukunft keine DLV mehr geben wird. Was genau kommt, weiß noch niemand. Kann sein, dass es Noten geben wird. Kann sein, dass es ein „KEL“ geben wird (Kinder-Eltern-Lehrer-Gespräch). Wenn man bedenkt, dass sich alle für dieses Jahr auf die DLV eingestellt hatten und auch die Lehrer ihre Vorarbeit dafür geleistet haben, ist es unverständlich, warum die DLV so plötzlich gestrichen wird. Unsere Lehrerin sagte, sie müsse erst einige Seminare und Schulungen über sich ergehen lassen, bevor sie uns Weiteres sagen könne.

Zum Thema „sie sollten doch uns fragen“, da gibt es eine schöne Studie, die auch auf der Seite des Landesschulrats einsehbar ist. Im Folgenden Auszüge aus den Ergebnissen dieser Befragung von Eltern und Lehrern, die durchgeführt wurde, um die DLV zu evaluieren.

Zusammenfassenden kann man hier lesen:

Durch die Arbeit im Schulversuch ergibt sich eine höhere Einbindung der Eltern ins Schulgeschehen, was sich auch durch den Grad der Informiertheit zu den Arbeitsweisen, zur Zielsetzung und zur Klassenarbeit bestätigt. Die Einschätzung, daß ihr Kind genau richtig gefordert wird (mit einemTrend zur Überforderung) , daß eine positive Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes wahrnehmbar und ein angemessenes Tempo bei der Erarbeitung des Lehrstoffes vorhanden sei, ergeben Hinweise, daß einige wesentliche Ziele im Schuleingangsbereich und der Jahresarbeit in der 1. Schulstufe – zumindest in den Augen der Eltern – erreicht wurden.

Wenn auch der Ermutigungs-, Motivations- und Anregungscharakter durch die direkte Leistungsvorlage in nicht so hohem Maße wie die anderen Fragen zum Schulversuch bestätigt wird, sind es doch mehr als zwei Drittel der Eltern, die sich zustimmend äußern.
Besondere Bedeutung kommt aber den verpflichteten Elterngesprächen zu. Die Einschätzung der Eltern zeigt, daß hier die Vertrauensbasis zur Lehrerin gelegt wird, daß das Bescheidwissen der Lehrerin über das Kind wahrgenommen werden kann und durch die Gespräche doch viele Mißverständnisse, Probleme und offene Fragen ausgeräumt werden können. Damit würden diese Gespräche auch den Eltern bessere Möglichkeiten geben, den Lernfortschritt des Kindes genauer einzuschätzen. Die Gesprächshinweise dürften den Eltern vermehrt
Möglichkeiten geben, wie sie ihr Kind beim Lernen und Verhalten unterstützen können. Breite Akzeptanz findet auch die Mitentscheidung und Einbindung der Kinder bei der Auswahl, welche Arbeiten als Leistungsvorlagen dokumentiert werden sollen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Schulversuch vom überwiegendenTeil der Eltern akzeptiert wurde und ebenso die in ihm gesetzten Erwartungen weitgehend erfüllen konnte. Die gemachten Erfahrungen scheinen überwiegend positiv verlaufen zu sein, da sich ein sehr hoher Prozentsatz der Eltern (fast 90 %) wiederum dafür entscheiden würden, ihr Kind in eineVersuchsklasse mit direkter Leistungsvorlage als Beurteilungsform zu geben.

Die gesamte Studie findet sich unter diesem Link unter „Evaluationsberichte“.

Man fragt sich, wozu solche Studien gemacht werden, wenn sie dann offensichtlich bei den Entscheidungsprozessen der „Bildungsreformern“ keine Auswirkungen haben.

Obwohl ich die DLV aus Sicht einer Mutter betrachte, muss ich jedoch auch anführen, dass ich das Engagement und die Mehrarbeit der LehrerInnen sehr geschätzt habe, die doch viel an Organisations- und Inhaltsarbeit leisten mussten, um die Stationen vorzubereiten und die gesamte DLV jedes Semester zu planen. Man könnte meinen, dass so manche Lehrerin froh ist, dies nicht mehr tun zu müssen. Zumindest in unserer Schule hatte ich aber den Eindruck, dass die Lehrerinnen mit so viel Elan und Engagement dabei waren, dass auch sie über diese Neuerung unglücklich sind. Abgesehen davon, dass die Lehrerschaft zusammen mit der Direktorin das ganze System in den letzten Jahren mühevoll aufgebaut und perfektioniert hatte.

Es bleibt zu sehen, was unseren „Bildungsexperten“ als nächstes einfällt. Hoffentlich besinnen sich die Verantwortlichen doch einmal und hören auf, an den wenigen Dingen in unserem Schulsystem, die wirklich etwas bringen, herumzudoktern!

 

 

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