Verbot für Hausunterricht? Ein Leserbrief

Kürzlich las ich in den Salzburger Nachrichten folgenden Bericht:

Ich hatte mir den Bericht über die Weinbergschule angesehen (hier der Link zur Dokumentation „Am Schauplatz, Die Kinder vom Zachhiesenhof“ und  war einigermaßen empört über die Art, in der der häusliche Unterricht mit der an der Weinbergschule betriebenen Unterrichtsform in Verbindung gebracht wurde.  Daher entschloss ich mich dazu, folgenden Leserbrief an die SN zu schicken:

Sehr geehrte Damen und Herren,
 
Im Folgenden schicke ich Ihnen einen Leserbrief in Bezug auf den Artikel „Verbot für Hausunterricht?“ vom Samstag, 2. Dezember 2017.
 
Sehr geehrte Redaktion der SN,
Ihr Artikel „Verbot für Hausunterricht?“ vom Samstag, 2. Dezember 2017 und der kürzlich im Fernsehen gezeigte Bericht über eine private Schule haben mich zu folgender Stellungnahme veranlasst.
Hier wird eine Schule, der das Bildungsministerium das Öffentlichkeitsrecht zugesprochen hat, dazu benützt, den häuslichen Unterricht infrage zu stellen. Die Weinbergschule in Seekirchen verwendet, wie berichtet, Bildungs- und Erziehungsmethoden, die sehr umstritten sind und sektenhafte Züge zeigen. Sie ist in ein System eingebunden, das ehemalige Mitglieder als grauenhaft beschreiben.
Wie schlimm die Situation auch vor allem für die Kinder am Zachhiesenhof sein mag, ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie Sie in Ihrem Artikel vom Bericht über eine Schule  mit Öffentlichkeitsrecht und sektenhaften Zügen zu dem Aufruf eines Verbots für den häuslichen Unterricht kommen.
Auch in der oben erwähnten ORF-Reportage „Am Schauplatz – Die Kinder vom Zachhiesenhof“ wird diese Forderung gestellt, allerdings mit einer großen Einschränkung: Gefordert wird ein Verbot des häuslichen Unterrichts für Religionsgemeinschaften.
Unsere Tochter lernt seit dem vergangenen Schuljahr zu Hause. Für diese Entscheidung gab es vielschichtige Gründe. Für sie hat das System „Schule“ in ihrer damaligen Situation einfach nicht gepasst und wir mussten einschreiten. Wir haben uns damals nach Alternativen umgesehen und alles versucht, bevor wir den Schritt in den häuslichen Unterricht wagten. Heute können wir sagen, dass es die richtige Entscheidung für unsere Tochter war. Sie hat das letzte Jahr sehr viel aufgeholt und wir haben das Gefühl, sie konnte sich selbst wieder finden. Dazu kam noch ein gutes Zeugnis, das sie anspornte, weiter zu lernen. Nächstes Schuljahr möchte sie von sich aus für die Oberstufe wieder eine Schule besuchen.
In Ihrem Artikel behaupten Sie, es fehle ein Korrektiv, es gebe keinen verpflichtenden Lehrplan. Dies ist eine komplette Fehlinformation. Unsere Tochter muss sich sehr wohl ganz genau an den Lehrplan halten. Im Zuge der Externistenprüfungen (die wahrlich nicht „geschenkt“, sondern hart erarbeitet sind) wird der Lehrstoff des jeweiligen Schuljahres in allen Fächern genauestens abgeprüft.
Auch zu den vielzitierten „sozialen Kompetenzen“ möchte ich Stellung nehmen. Uns wäre es lieber gewesen, unsere Tochter in einem gut funktionierenden, unterstützenden und motivierenden sozialen Gefüge eingebettet zu finden. Leider war dem nicht so. Ich möchte hier die Schuld aber weder auf die vielen sehr bemühten LehrerInnen noch auf ihre damaligen MitschülerInnen schieben. Viel mehr glaube ich, dass es am System hakt, nicht nur am Bildungssystem, sondern auch an unserem derzeitigen Gesellschaftssystem insgesamt, das darauf ausgelegt ist, sich ununterbrochen mit anderen vergleichen und als Einzelner besser (in welcher Art auch immer) sein zu müssen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass auch im Rahmen des Engagements in außerschulischen Interessensgruppen wie Tanz oder Circus und gemeinsamer Lehrausgänge soziales Lernen gut stattfinden kann. 
 Den häuslichen Unterricht so hinzustellen, als seien die Kinder sozusagen eingesperrt und hätten keinen sozialen Kontakt zur Außenwelt hat mit der Realität des normalen häuslichen Unterrichts wenig zu tun. Im Zuge der Externistenprüfungen haben wir auch immer wieder andere SchülerInnen und Eltern getroffen, die aus verschiedensten Gründen den Weg des Homeschoolings eingeschlagen haben. Manche von ihnen wohnen zum Beispiel ganz einfach sehr weit weg von der nächsten Mittelschule.
Auf der anderen Seite stehen Verbände und Schulen, die kein Öffentlichkeitsrecht besitzen. Hier gibt es viele gute (Waldorfschule, Montessorischule) und negative Beispiele. Da Kinder, die in solchen Einrichtungen unterrichtet werden, ebenfalls die Externistenprüfungen ablegen müssen (wie gesagt nach dem aktuellen Lehrplan!), werden auch sie als im häuslichen Unterricht geführt, auch wenn sie eigentlich eine Schule besuchen.
Im Artikel wird auch angeführt, dass die Tendenz zum häuslichen Unterricht steigend ist. Als Grund werden u. a. die das Schwinden des Vertrauens in die Politik und die Schaffung von „Parallelwelten mit paramilitärischen und antisemitischen Zügen“ genannt. Dass einfach mehr und mehr Eltern die Situation in unseren Schulen und die Bildungsmethoden nicht mehr hinnehmen wollen und sich nach Alternativen umsehen, kommt nicht zur Sprache, ist aber wohl der Hauptgrund für diese Entwicklung.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Hausunterricht an sich durchaus eine gute und sinnvolle Alternative für Familien sein kann. Ein Vorschlag wäre, einen eigenen Begriff für Externisten, die in Schulen ohne Öffentlichkeitsrecht unterrichtet werden, einzuführen und diese nicht über einen Kamm mit den wirklichen „Homeschoolern“ zu scheren. Ebenso wäre eine Förderung der erwähnten derzeitigen „ausdrücklich anerkannten alternativen Schulformen“ ein großer Fortschritt, da dann auch finanziell nicht so gut gestellte Familien diese Wahlmöglichkeit hätten.
Ich bin schon neugierig, ob mein Leserbrief abgedruckt wird!

2 Antworten auf „Verbot für Hausunterricht? Ein Leserbrief“

    1. Lieber Ralph Eichelberger, der Leserbrief wurde nicht abgedruckt, es kam noch besser. Der Journalist, der den Bericht über die Weinbergschule verfasst hatte, war so beeindruckt, dass er mir eine Anfrage schickte, ob wir stattdessen dazu bereit wären, mit ihm einen Bericht über unsere Situation und das Homeschooling zu machen. Dieser wurde dann in den SN abgedruckt.

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